Am Samstagmorgen um 10:18 Uhr kam eine Alarmmeldung von unserer Einsatzleitzentrale (ELZ) von Schutz & Rettung Zürich: „Bergung einer Kuh aus einer Güllengrübe in Mümliswil, Kt. Solothurn“. Telefonische Abklärungen mit dem Einsatzleiter der Feuerwehr Mümliswil – Ramiswil liessen rasch erkennen, dass es sich um eine Vertikalbergung mit wenig Raumhöhe handelt. Als Sofortmassnahmen wurden die Belüftung der Güllengrube und wenn möglich die Sicherung der Kuh mittels Rundschlinge um die Brust abgesprochen. Die GTRD-Stützpunkte Aargau und Bern sind die nächstgelegenen Einsatzkräfte. Vom Stpkt. Aargau wurde ein Bergungsfahrzeug mit Frontwinde losgesandt. Der Landwirt hatte um 06:00 Uhr mit Gülle ausführen begonnen. Irgendwann hat er gemerkt, dass eine Kuh von der Weide ausgebüxt ist und 8m durch die Werkstatt nach hinten bis zur Öffnung mit der Güllenpumpe gelaufen ist. Sie stürzte 2.2 m tief durch die offene Abdeckung in die Gülle, die zu diesem Zeitpunkt noch ca 1.5m tief war. Er rief die Feuerwehr, um eine vermeintlich tote Kuh zu bergen. Entsprechend langsam rückte die Feuerwehr aus, da bei einem toten Tier keine Eile mehr herrscht. Nach ihrer Ankunft stellte die Feuerwehr fest, dass die Kuh noch lebte. Sofort alarmierten sie via ELZ den GTRD. Der Landwirt pumpte in der Zwischenzeit weiter Gülle ab. 45 Min. nach der Alarmierung trafen die GTRD-Teams aus AG und BE zeitgleich am Einsatzort ein. Vor Ort waren die Ortsfeuerwehr Mümliswil – Ramiswil mit 6 Personen und der tierschutzbeauftragte Polizist des Kt. Solothurns mit einer Patrouille der KAPO Solothurn. Später stiess noch die Tierärztin dazu. Nach der ersten Augenscheinnahme zeigte sich folgendes Bild: Die Güllengrube wurde belüftet, ein Feuerwehrmann in Kanalhosen hatte die Kuh gesichert und betreute sie in der Gülle. Mit 0.8 x 1.0m war die Öffnung der Grube zu klein für eine Horizontalbergung mit dem Tier-Bergungs- und Transportnetz (TBTN). Die Raumhöhe bis zur Balkenlage der Decke betrug nur ca. 2.3 Meter und der ganze Raum war mit sehr viel Sammelgut gefüllt. Man konnte sich fast nicht bewegen in der Werkstatt. Es wurden drei Teams gebildet: Team 1 der Feuerwehr versuchte in den ersten Stock des Stalles zu gelangen und dort einen Balken auf den Boden zu legen, damit die Umlenkrolle so hoch wie möglich montiert werden konnte. Team 2 der Feuerwehr räumte die ersten 4 Meter der Werkstatt vom Sammelgut. Die Mitglieder des GTRD (Team 3) rüsteten das Bergungsmaterial, legten die Trockentauchanzüge an und halfen mit beim Räumen. Team 1 musste mit Hilfe einer Motorsäge die Holzfassade oberhalb der Werkstatt auftrennen, damit in das Gebäude eingestiegen werden konnte. Um möglichst hoch und am richtigen Ort die Umlenkrolle montieren zu können, wurde der Riemenboden aufgesägt und ein Längsbalken mit Distanzstücken auf der Balkenlage mittels Spanngurten gesichert. So erreichen wir eine nutzbare Höhe von ungefähr 2.5 Metern um die Kuh anzuheben. Das reichte zwar nicht, um das Tier ganz aus der Öffnung zu heben, aber dafür hat der GTRD beim Grosstier-Vertikalbergungsset (GTVBS) die Möglichkeit geschaffen, mit einem zweiten Hebemittel, das Tier in die Horizontale zu schwenken, indem die Hinterhand mit dem "Fallschirm" aus der Öffnung gehoben wird, sobald der Bauch die Öffnung passiert hat. Somit kann der GTRD auch noch bei niedrigen Deckenhöhen eine schonende Vertikalbergung durchführen. Die Kuh war völlig erschöpft und unterkühlt. Das Anlegen des Vertikalbergungsgeschirrs war unproblematisch, wegen des schlechten Kreislaufes und der Unterkühlung wurde aber auf eine Sedation verzichtet. Mit der Frontwinde des Bergungsfahrzeuges hoben wir die Kuh durch die enge Öffnung und noch so hoch wie möglich an. Der Flaschenzug wurde hinten am "Fallschirm" eingehängt wodurch auch die Hinterhand des Tieres aus der Öffnung gehoben werden konnte. Mit einer doppelten Lage Schaltafeln wurde das Loch dann sofort abgedeckt und die Kuh auf den Boden gelegt. Sie war nach der Bergung stark unterkühlt (die Temperatur wurde auf dem Thermometer nicht mehr angezeigt, das heisst Körpertemperatur lag unterhalb 32°C) und sie zeigte massive neurologische Symptome. Sofort wurde die Kuh in Sternallage gebracht und mit warmen Infusionen versorgt. Anschliessend wurde das Tier mit Hilfe von Rundschlingen und der Frontwinde auf einem Strohbett auf den Vorplatz verlegt, wo die Sonne wärmte und es windgeschützt war. Jetzt galt`s, mit allen Mitteln die Kuh aufzuwärmen und den Kreislauf zu stabilisieren. Später wurde das TBTN angezogen und mit Hilfe eines Frontladers ein Aufstellversuch gestartet. Die Kuh war aber noch nicht in der Lage selber zu stehen. Mit steigender Körpertemperatur erwachte die Kuh zusehends aus ihrer Apathie und nahm die Umgebung wieder wahr. Gegen 16 Uhr wurde, nach einem weiteren erfolglosen Aufstellversuch, die Kuh mit dem TBTN am Frontladertraktor auf die nahe gelegene Weide zu den restlichen Tieren transportiert. Die Kuh machte einen guten Eindruck, weshalb wir das TBTN entfernten, wonach sie unter Jubel aller Beteiligten selbständig aufstand und sich wieder zu ihrer Herde gesellte. Auch dieser Einsatz zeigt wieder einmal mehr auf, dass es in vielen Fällen mit der Bergung alleine nicht einfach erledigt ist. Wie in manchen Fällen musste auch diese Kuh nach der Bergung über mehrere Stunden intensiv behandelt werden, ansonsten sie sehr wahrscheinlich nicht überlebt hätte...