Krieg in der Ukraine: Resumée der SUST
Der Krieg in der Ukraine kam für uns alle unterwartet und brachte Geschichten mit sich, auf die sich niemand vorbereiten konnte. Die SUST setzte sich sofort zu Kriegsbeginn für eine schnelle und unbürokratische, aber auch sinnvolle und angemessene Hilfe ein. Es war von Anfang an enorm schwierig, Informationen zu verifizieren und Fakten zu sichern. Wir mussten dennoch schnell handeln, um sichere Zahlungs- und Transportwege zu eruieren.
Das gesamte SUST-Team war sofort im Ausnahmezustand und leistete in unzähligen Sondereinsätzen und Überstunden Grossartiges. Gemeinsam mit unseren Gönnern, die unseren Einsatz engagiert unterstützten, war es uns möglich, in verschiedenen Bereichen effizient, pragmatisch und kompetent zu helfen.
1. SITUATION
Flüchtlingswelle mit Heimtieren
Der Einmarsch der russischen Truppen in der Ukraine führte zu einer grossen Flüchtlingswelle mit einem Novum: Zum ersten Mal wurden viele Heimtiere nicht zurückgelassen, sondern mit auf die Flucht genommen. Dies führte an den Grenzen zur Ukraine in den ersten Tagen zu chaotischen Szenen, doch stellten sich die lokalen Einwohner schnell auf die neue Situation ein und begannen, mit aller Kraft den Kriegsgeflüchteten zu helfen. Im SUST-Tierheim in Galati, welches sich nur 15km von der ukrainischen Grenze befindet, wurden blitzschnell diverse Hilfsgüter für die geflüchteten Menschen und ihre geliebten Tiere organisiert. Viele ukrainische Katzenbesitzer verfügten zum Beispiel nicht über geeignete Transportbehältnisse für ihre Tiere, weshalb sie häufig einfach auf dem Arm mitgetragen wurden. Dank der in Windeseile beschafften Transportboxen konnten sie ihre Reise sicher und ohne Fluchtgefahr fortsetzen.
Auch schnelle Futterhilfe war unerlässlich: Unsere Mitarbeiter und Helfer standen Tag und Nacht an der Grenze, um den ankommenden Menschen Futter für ihre Heimtiere abzugeben. Weil in den Flüchtlingscamps in der Region keine Tiere zugelassen waren, nahm das Tierheim mehrere Hunde und Katzen auf, damit diese in Sicherheit sind, bis die Besitzer wussten, wohin die Reise geht.
Zurückgelassene Tiere
Leider wurden auch unzählige Heim- und Farmtiere von flüchtenden Menschen (teilweise eingesperrt oder angekettet) zurückgelassen. Andere Flüchtende wollten ihre Tiere zwar mitnehmen, sahen sich aber vor grossen Problemen. Viele Tiere wurden an den Bahnhöfen nicht in die überfüllten Züge gelassen. Es wurde uns von vielen zurückgelassenen Tieren an den Bahnhöfen berichtet. Zusätzlich mussten auch Männer, die in den Krieg zogen, ihre Tiere (oft auch Nutztiere) zurücklassen und darauf hoffen, dass sie von jemandem, der vor Ort geblieben war, gefüttert wurden.
2. HILFE VOR ORT
Kontakt mit Tierheimen / Tierschützern vor Ort und sofortige Hilfe
Sehr schnell waren die ohnehin schon schwierigen Verhältnisse in vielen Tierheimen kaum mehr auszuhalten: Ein stetiger Zulauf von Tieren in Not, Futtermangel und viele geflüchtete oder verstorbene Mitarbeiter stellten die Zurückgebliebenen vor unfassbare Probleme. Wir setzten uns mit vielen Tierheimen und Tierschutzorganisationen in Verbindung und hatten schnell rund 60 Kontakte. Sie alle kümmerten sich rund um die Uhr um verwaiste, ausgesetzte und zurückgelassene Tiere. Sie berichteten uns täglich von der aktuellen Situation vor Ort und schickten uns Bilder und Videos, die für uns nur schwer auszuhalten waren. Seit Kriegsausbruch haben wir diesen Organisationen Spenden für den Kauf von Futter und Medikamenten überwiesen, damit sie ihre Arbeit aufrechterhalten konnten.
Hilfe für zurückgelassene Tiere vor Ort
Unsere Partnerorganisationen in der Ukraine kümmerten sich mit grossem Einsatz um die Befreiung und Unterbringung von zurückgelassenen Tieren. Wir unterstützten viele Privatpersonen, die sich um zurückgelassene Tiere auf den Strassen kümmerten.
Futterlieferungen in die Ukraine
Wir fanden eine Möglichkeit, Tierfutter mit den humanitären Hilfsgütern der DEZA direkt in die meist gefährdeten ukrainischen Gebiete zu bringen und konnten aus den Grenzstationen viele Tonnen Tierfutter in die Ukraine liefern. Auch in unserem Tierheim in Rumänien und an unserer Grenzstelle in Polen gaben wir laufend Futter ab an Personen, die über die Grenze ins Kriegsgebiet reisten. Dafür versandten wir 53 Palette Tierfutter aus der Schweiz und finanzierten zusätzlich Futter für SFr. 106'000.— direkt vor Ort. Weitere 66 Tonnen Futter versandten wir aus Rumänien in die Ukraine und rund 2,5 Tonnen konnten wir von unseren Partnern an der polnischen Grenze in die Ukraine bringen lassen.
Hilfe an der Grenze
Ebenso standen wir mit unseren Partnertierheimen im ukrainischen Grenzgebiet in Rumänien, Polen, der Republik Moldau und Ungarn in Kontakt: Sie waren gut organisiert und nahmen Tiere auf, sobald sie über die Grenzen kamen, unterstützten Reisende mit Tieren und gaben, wenn nötig Futter ab. Wir unterstützten unsere Partnerorganisationen laufend mit Spenden, damit sie diese neuen Tiere mit Futter und Medikamenten versorgen konnten und - wenn irgendwie möglich - Tierfutter über die Grenze in die Ukraine bringen können. Zusätzlich ermöglichten wir den Kauf von Transportboxen.
Austausch mit internationalen Mitarbeitern und Partner-Organisationen
Um bestmögliche Resultate und grösstmöglichen Informationsaustausch sicherzustellen, tauschten uns regelmässig mit unseren Partnern in und um die Ukraine aus. Dazu fanden regelmässige Zoom-Meetings statt, in denen wir unsere Hilfe absprechen konnten.
Aufnahme von Tieren
Unsere Partnerorganisationen im ukrainischen Grenzgebiet in Rumänien, Ungarn, der Republik Moldau und Polen übernahmen, wenn immer möglich, Tiere aus der Ukraine. Wir unterstützten sie mit Spenden für Futter- und Medikamentenkäufe und waren und sind weiterhin ständig in Kontakt mit ihnen.
In unserem Tierheim in Galati haben wir einen ganzen Flügel freigeräumt, um Flüchtenden mit Tieren Platz zu bieten.
Fall Borodjanka
Im Mai entschieden wir uns, 9 Hunde aus dem städtischen Tierheim im ukrainischen Borodjanka aufzunehmen. Ihre Geschichte ist fürchterlich: Das Tierheim beherbergte rund 500 Hunde, die aufgrund der Kriegsgeschehnisse während sechs Wochen nicht betreut werden konnten. 270 Hunde verendeten elendiglich. Von den restlichen Hunden konnten viele aufgepäppelt werden. Einige waren jedoch in so schlechtem Zustand, dass sie von ihren Leiden erlöst werden mussten.
3. HILFE IN DER SCHWEIZ
Um Geflüchtete mit ihren Tieren in der Schweiz zu unterstützen, bietet die SUST kostenlose Futterabgaben und Tierarztsprechstunden an. Im Rahmen der SUST-Sozialarbeit für Tiere können sich Geflüchtete aus der Ukraine bei Futterausgabestellen in der ganzen Schweiz kostenlos mit Futter eindecken. Diese Tiertafeln/Futterausgabestellen werden beliefert von der SUST. Zusätzlich stehen die SUST-Tierarztsprechstunden der Sozialarbeit für Tiere den Geflüchteten und ihren Tieren kostenlos offen. Dies an den Standorten Biel, Schaffhausen, Kollbrunn, Chur und Wil SG. Auch die SUST-Online-Tausch-Börse wurde für Geflüchtete aus der Ukraine geöffnet.
Gutscheinaktion in der Schweiz: Starterpakete für Geflüchtete mit Tieren
In Zusammenarbeit mit Fressnapf konnten wir bereits ab Anfang April die geflüchteten Tierbesitzer massgeblich unterstützen: Unter Vorzeigen des Gutscheins und des Passes erhielten sie pro Tier ein Starterpaket, das für Hunde zwei Näpfe, ein Bettchen, eine Leine mit Halsband und Trockenfutter, für Katzen zwei Näpfe, ein Bettchen, eine Katzentoilette mit Streu und Trockenfutter beinhaltete. Die vielen Menschen und Tiere zeigten uns ihre Dankbarkeit überschwänglich: Viele waren mit nichts geflohen und insbesondere in den Flüchtlingszentren herrschte zu Beginn grosse Ratlosigkeit im Umgang mit Tieren. Die Gutscheinaktion war eine immens wichtige Soforthilfe, die einen massiven administrativen Aufwand unsererseits erforderte. Über 3‘000 dieser Gutscheine konnten bis Ende September 2022 vergeben werden.
Schweizer Koalition
Im Zuge der immer grösser werdenden Zahl von Tierbesitzern, die mit ihren Tieren geflüchtet waren, entschieden sich einige Tierschutzorganisationen zum Zusammenschluss in einer Koalition, um Menschen und Tiere optimal zu unterstützen. Sie sorgte für der Website swisshelpforukrainianpets.ch, die in verschiedenen Sprachen Informationen zu diversen wichtigen Themen für Flüchtende enthielt. Die SUST mit ihrem grossen Unterstützungsangebot übernahm denn auch den Lead bei veterinärmedizinischer Versorgung, Futterabgabe und Informationen und Aufklärung
4. WEITERFÜHRENDE UNTERSTÜTZUNG
Durch diese intensive Arbeit für und in der Ukraine konnten wir eine funktionierende Infrastruktur für andauernde Hilfe/Unterstützung installieren. Uns war von Anfang an bewusst, dass dieser Krieg für den Tierschutz ein Marathon sein würde und unsere Hilfe über einen längeren Zeitraum hinweg benötigt würde.
Unsere Partnertierheime unterstützen wir weiterhin mit Tierfutter und Medikamenten. Einige auch mit zusätzlicher Hilfe.
Tierheim-Neubau Beliy Klyk Shelter, Druzhok (bei Charkiw)
An den Folgen des Kriegs in der Ukraine leiden nicht nur Menschen, sondern auch Tiere. Mehrere Millionen Ukrainer mussten das Land verlassen, um dem Krieg zu entkommen, viele von ihnen mussten dabei leider ihre Haustiere zurücklassen. Einige von ihnen werden von Freiwilligen betreut oder werden in Kleinst-Heimen aufgenommen. Eines davon ist das Mini-Tierheim von Olga Bondarenko, in dem 37 Hunde und 25 Katzen untergebracht sind, die in und um Charkiw während der Evakuierung ausgesetzt oder zurückgelassen wurden.
Während des wiederholten Beschusses des Dorfes Bezruki, in dem sich das Tierheim befindet, wurde Olga, die Besitzerin des Tierheims, durch Granatsplitter verletzt und das Haus, in dem die Tiere leben, zerstört. Olga erlitt Verletzungen an Unterleib. Trotz Operationen erholte sie sich nur langsam. Sie brauchte weitere Operationen, um sich vollständig zu erholen.
Für Olgas Tiere wurde Platz gefunden im Mini-Tierheim "Chelkash" im Nachbardorf Rjavets bei Charkiw. 15 von Olgas Hunden konnten dorthin umziehen. Für die restlichen Tiere mussten Gehege und Umzäunungen gebaut werden. Den grössten Teil dieser Kosten konnten wir aus dem SUST-Soforthilfefonds beisteuern, die restlichen Kosten finanzierten wir mittels Crowdfunding: So konnte auf den Winter hin eine neue Bleibe für diese Tiere gesichert, und Umzäunungen sowie Hundehütten rechtzeitig finanziert werden.
Hundehütten & Futter für Nosey Tails, Charkiw
Nosey Tails, das sind Elena und Aleksandr, ein Ehepaar aus der Stadt Charkiw in der Ukraine, die wir dank Spenden seit Kriegsausbruch mit Futter für zurückgelassene Tiere unterstützten.
Charkiw liegt nur gerade 40 km von der russischen Grenze entfernt und wird seit Ausbruchs des Kriegs jeden Tag mit allen Arten von Waffen beschossen: Artillerie, Granatenhagel, Flugzeuggeschütze. Viele sind geflüchtet, Helena und Aleksandr sind geblieben und kümmern sich um Streuner und zurückgelassene Tiere.
40 Hundehütten sowie Tierfutter für Strassenhunde und -katzen finanzierte die SUST diesen beiden unermüdlichen und mutigen Menschen um ihre Hilfe möglich zu machen.
50 Holz-Hundehütten, Futter und Generatoren-Benzin für das Tierheim Gostomel, einem Vorort von Kiew
Gleich bei Ausbruchs des Kriegs in der Ukraine, kam Kiew grossflächig unter Beschuss. Aus dem Tierheim Gostomel erreichten uns anfangs März erschütternde Bilder und Videos. Innert zehn Tagen wurden sie dreimal beschossen. Das Tierheim war lange ohne Strom- und Wasserversorgung. Durch den Beschuss in der direkten Umgebung entstanden nicht nur bauliche Schäden im Tierheim, es starben auch Hunde, einige ältere erlitten einen Herzinfarkt.
Glücklicherweise standen wir stets in Kontakt mit dem Team des Tierheims Gostomel. Wir konnten Nothilfe für Futter, aber auch Benzin für den Notgenerator finanzieren sowie 50 Hundehütten finanzieren.
Strom-Generatoren für Animal Park Kiew und Shelter Lightshell Odessa
Für diese beiden Tierheime konnten wir Futter sowie je einen Generator finanzieren.
5. WEITERE PLÄNE
Die Tierschutzsituation in der Ukraine war bereits lange vor Ausbruch des Krieges prekär:
Es gibt seit langem unglaublich viele Strassenhunde und -katzen, und es mangelt an geeigneten Tierheimen und gemeinnützigen Einrichtungen für Tiere. Der Krieg und der daraus resultierende Mangel an Geld, Strom und Wasser haben die wenigen Systeme, die für die Versorgung der Tiere vorhanden waren, zusammenbrechen lassen. Wir werden unsere Partner-Tierheime in der Ukraine weiterhin unterstützen und auf einen nachhaltigen Tierschutz setzen.
Information und Aufklärung
Die SUST-Kinderbüchlein wurden in ukrainischer Sprache vor Ort gedruckt und an die Schulen verteilt. Die Lehrer und auch die Kinder nahmen dieses Material mit Freude an. So wird bereits kleinen Kindern der richtige Umgang mit Hund und Katze gelehrt.
Kastrationsaktionen
Die Evaluation von Partnertierärzten in der Ukraine ist zurzeit im Gange. Die SUST arbeitet ausschliesslich mit Tierärzten zusammen, die die Einhaltung der SUST-Standards gewährleisten.